Leverkusens Boniface jubelt über sein Tor zum 1:0 gegen Werder Bremen.

Jubel bei Bayer Leverkusen "Vizekusen" war mal - wie Leverkusen zu "Meisterkusen" wurde

Stand: 14.04.2024 19:24 Uhr

Bayer Leverkusen war so oft Vizemeister, dass der Klub irgendwann nur "Vizekusen" genannt wurde. Die Zeiten sind vorbei. Über einen Klub, der nicht nur den FC Bayern überrascht hat.

Thomas Tuchel war früh dran. Nach der Niederlage des FC Bayern gegen Borussia Dortmund am Osterwochenende sagte er: "Glückwunsch an Leverkusen." Zu diesem Zeitpunkt hätten die Bayern noch Meister werden können, zumindest theoretisch. Denn wahrscheinlich war es nicht: Sie lagen 13 Punkte hinter Spitzenreiter Bayer Leverkusen. Tuchel jedenfalls hatte die Hoffnung aufgegeben.

Sein Gefühl hat ihn nicht getäuscht. Elfmal in Folge hieß der deutsche Meister FC Bayern München, doch diesmal heißt der Meister Bayer Leverkusen. Am Sonntag (14.04.2024) hat Leverkusen gegen Werder Bremen 5:0 (1:0) gewonnen. Fünf Spieltage vor Saisonende hat Bayer 16 Punkte Vorsprung auf die Bayern und den VfB Stuttgart.

Leverkusen also. Jener Klub, der in seiner Vereinshistorie zwei Titel gewonnen hat, den UEFA-Cup 1988 und den DFB-Pokal 1993, aber nie die Meisterschaft. Fünfmal war er Vizemeister, ein Spitzname war schnell gefunden: "Vizekusen". Doch nun ist aus "Vizekusen" tatsächlich "Meisterkusen" geworden.

In dieser Saison hat Leverkusen in allen Wettbewerben 43 Pflichtspiele bestritten, aber nie verloren (37 Siege). Es ist eine beeindruckende Serie. So wird man Meister.

Leverkusens Aufschwung ist Alonsos Werk

Es gibt Menschen, die sagen, der Aufschwung von Bayer Leverkusen habe an einem Tag im Oktober vor anderthalb Jahren begonnen. Da stellte der Klub Xabi Alonso als neuen Trainer vor. Zu diesem Zeitpunkt war Leverkusen Tabellenvorletzter.

Alonso, 42, hatte zuvor die B-Mannschaft von Real Sociedad San Sebastián trainiert und den Nachwuchs von Real Madrid, ein Trainer mit Erfahrung auf höchstem Niveau war er nicht. Aber einer, dem viele eine große Trainerkarriere zutrauten.

Als Spieler war Alonso ein Stratege im Mittelfeld, er gab Mannschaften Stabilität. Mit Spaniens Nationalmannschaft wurde er Weltmeister und zweimal Europameister, mit dem FC Liverpool und Real Madrid gewann er die Champions League. Seine letzte Station war dann der FC Bayern. Dort war er unter Pep Guardiola drei Jahre der Taktgeber im Mittelfeld, ehe er 2017 seine Karriere beendete.

Wenig später sagte Karl-Heinz Rummenigge, er könne sich Alonso irgendwann sehr gut als Trainer in München vorstellen. Er bringe vieles mit für den Job. Heute trainiert Alonso nicht die Bayern, er ärgert sie.

Leverkusen ist eine Trainermannschaft

In Leverkusen kümmerte sich Alonso zunächst um die Defensive. So stabilisierte er die Mannschaft. Die Saison 2022/23 beendete Leverkusen als Sechster. Und in der Europa League kam Bayer bis ins Halbfinale, scheiterte dort aber an der AS Rom.

Mittlerweile hat Alonso einen Fußball etabliert, der Wiederkennungswert hat. Er hat aus Leverkusen eine Trainermannschaft gemacht. Es geht ihm um Ballbesitz, Raumaufteilung und um das Gefühl für das Passspiel. Die Abstände zwischen den einzelnen Spieler sind gering, lange Pässe sieht man selten.

Von diesem Stil weicht die Mannschaft nicht ab, auch dann nicht, wenn sich der Erfolg nicht unmittelbar einstellt. Auch Geduld gehört zu Alonsos Idee von Fußball: In allen Pflichtspielen hat seine Mannschaft 24 Tore nach der 81. Minute einer Begegnung erzielt.

Rolfes lag bei den Neuzugängen richtig

Doch der Erfolg von Leverkusen hat einige Gesichter, nicht nur das von Alonso. Auch das von Simon Rolfes gehört dazu. Rolfes, 42, spielte einst zehn Jahre für Bayer, nach seinem Karriereende wurde er erst Leiter der Nachwuchsabteilung, dann Sportdirektor, nun ist er Geschäftsführer Sport. Rolfes bleibt eher im Hintergrund, doch der Meistertitel ist eng mit seinem Wirken verknüft.

In vergangenen Sommer holte Rolfes Spieler wie Jonas Hofmann, Victor Boniface, Alejandro Grimaldo oder Granit Xhaka nach Leverkusen. Sie alle wurden Stammspieler. Der torgefährliche Linksverteidiger Grimaldo und der wuchtige Angreifer Boniface wurden zu Überraschungen dieser Saison.

Und Xhaka, 31, ist im Mittelfeld der Unterschiedsspieler. Er bestimmt das Tempo, über ihn läuft jeder Angriff. Xhaka ist ein Trainerspieler - und er harmoniert hervorragend mit Florian Wirtz, 20. Seine Dribblings fürchten Verteidiger in ganz Europa. Er gibt Vorlagen und schießt Tore, manchmal auch sehr schöne.

Xhaka sagt: Titel gewinnt man nur als Mannschaft

Vor einigen Tagen, nach dem Erfolg im Viertelfinal-Hinspiel der Europa League gegen West Ham United, ist Xhaka nach dem Geheimnis des Erfolgs gefragt worden.

Sie seien eben wirklich eine Mannschaft, die zusammenhalte, sagte Xhaka. Nicht nur eine Ansammlung von Einzelspielern. Und das sei entscheidend. "Man gewinnt Spiele mit ein paar Spielern, aber als Mannschaft gewinnt man Titel."