Ecuadors Fußball-Nationalmannschaft

FIFA WM 2022 - Teamcheck Ecuador - ein Versprechen für die Zukunft

Stand: 15.11.2022 11:44 Uhr

Ecuadors Nationalmannschaft darf gleich das Eröffnungsspiel der WM absolvieren - gegen Gastgeber Katar. Das Team hat beim Turnier viel vor.

Der Trainer

Gustavo Alfaro hat ein Buch geschrieben über den Weg der ecuadorianischen Nationalmannschaft zur Endrunde der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Es trägt den Titel "Jäger unmöglicher Utopien". Im August 2020 trat er seine Mission in Ecuador an. Zuvor hatte der Verband den Argentinier als einen von 20 Kandidaten durch eine Spielanalyse-Software geschickt, weil der bereits für den Job engagierte Jordi Cruyff, Sohn der niederländischen Sturmlegende Johan Cruyff, noch vor dem ersten Länderspiel zurückgetreten war.

Alfaro, der als kleiner Bub wegen seines Lockenkopfes "Lechuga" ("Gartensalat") genannt wurde, hatte zuvor 30 Jahre fast ausschließlich bei klammen argentinischen Klubs gearbeitet. Er hat gelernt, Talente zu entwickeln und mit ihnen erfolgreiche Mannschaften zu formen. Die vergangenen vier WM-Turniere begleitete Alfaro, der für den Fußball ein Chemie-Ingenieursstudium schmiss, als TV-Kommentator. "Niemand kann einem Grenzen setzen", sagte er vor seiner WM-Premiere. Auch das klingt nach einem Buchtitel.

Der Star

Enner Valencia hat ein bewegtes Leben. Als Kind molk er gemeinsam mit seinem Vater Remberto Kühe und verkaufte die Milch auf den Straßen. Fußball hat ihm zu großem Ansehen verholfen. Er ist Rekordtorschütze und Kapitän Ecuadors. Der 32-Jährige (wird am 4. November 33 Jahre alt) ist noch immer pfeilschnell und wird auch deshalb von Fans und Medien als "Superman" bezeichnet.

Für die Nationalelf Ecuadors, "La Tri" genannt ("La Tricolor", die Dreifarbige; dabei steht Gelb für die Vielfalt des Landes, Blau für den Himmel und das Meer sowie Rot für das Blut derer, die für die Unabhängigkeit gekämpft haben), traf Valencia erstmals kurz vor der WM 2014. Zudem machte der Angreifer beim WM-Turnier in Brasilien (Vorrunden-Aus) mit drei Toren auf sich aufmerksam und wechselte schließlich zu Englands Premier-League-Klub West Ham United. Heute stürmt er für Fenerbahce Istanbul.

Ecuadors Star und Kapitän Enner Valencia

Ecuadors Star und Kapitän Enner Valencia

Valencia hat aber auch schon weniger glanzvolle Geschichten zu verantworten. Im Oktober 2016 suchten Behörden den Stürmer wegen ausstehender Unterhaltszahlungen für seine Tochter. Mitten in einem Spiel gegen Chile täuschte er deshalb einen Zusammenbruch vor und ließ sich mit einem Golfwagen vom Feld in einen Rettungswagen transportieren. Beamte rannten hinter ihm her, Valencia entkam und blieb auf freiem Fuß. Jetzt will er sein Land ins Achtelfinale schießen.

Players to Watch

Augen auf bei Gonzalo Plata, 22, der beim sensationellen dritten Platz des damaligen Südamerika-Champions bei der U20-WM 2019 zu den besten Turnierspielern zählte. Vorne wirbelt neben dem Flügelstürmer noch Moises Caicedo, 21. Dessen Klub Brighton & Hove Albion verstärkte sich in der Premier League auch noch mit Außenverteidiger Pervis Estupinan für die ecuadorianische Rekordablöse von rund 18 Millionen Euro. Weil der 24-Jährige die linke Bahn beackert, rückt der Leverkusener Piero Hincapie mehr in die Defensivzentrale. Mit seinen 20 Jahren gehört das Bayer-Talent ebenso zu den sportlichen Versprechen für die Zukunft.

Meist nicht zu stoppen: Ecuadors Talent Gonzalo Plata (l.)

Meist nicht zu stoppen: Ecuadors Talent Gonzalo Plata (l.)

Das Besondere

Hat sich Ecuador mit einem nicht spielberechtigten Akteur zur Endrunde geschummelt? Wurde der in acht Qualifikationsspielen eingesetzte Verteidiger Byron Castillo 1995 in Kolumbien und nicht, wie angegeben, 1998 in Ecuador geboren?

Bereits 2017 war Castillo aus der ecuadorianischen U20-Nationalmannschaft ausgeschlossen worden, nachdem ihm vorgeworfen wurde, in Tumaco, einer kolumbianischen Stadt nahe der Grenze zu Ecuador, geboren zu sein. Im Januar 2019 wurde er dann beschuldigt, seine Geburtsurkunde gefälscht zu haben, was dazu führte, dass er in keiner ecuadorianischen Nationalmannschaft eingesetzt wurde. Das änderte sich erst 2021, als für ihn eine offizielle ecuadorianische Geburtsurkunde ausgestellt wurde.

Mit ecuadorianischem Pass und dem für WM-Teilnahmen unrelevanten Geburtsdatum gab der Weltverband FIFA Mitte September zum Unwillen der in der Qualifikation gescheiterten Chilenen und Peruaner Castillo die Freigabe. Ein Gericht kam letztlich zu der Erkenntnis, dass Castillo in der Qualifikation zum Turnier in Katar generell zwar spielberechtigt gewesen sei, der ecuadorianische Verband FEF aber durch die Verwendung eines Dokumentes mit falschen Angaben gegen Artikel 21 des FIFA-Regelwerks verstoßen habe. Demnach sollen die Informationen zu Castillos Geburtsdatum und -ort nicht der Wahrheit entsprechen. Als Strafe werden Ecuador bei der Qualifikation zur WM 2026 drei Punkte abgezogen. Auf das Turnier 2022 hat der Vorgang keinen Einfluss. Im EM-Kader steht Castillo nicht.

WM-Chancen

"Wir wollen unsere beste WM der Geschichte spielen", forderte Cheftrainer Gustavo Alfaro. Das Erreichen des Achtelfinales wie 2006 ist das Minimalziel. Die Nummer vier in Südamerika hatte an Toren gemessen immerhin den zweitbesten Angriff und die drittbeste Abwehr der "Eliminatorias". Die "Jäger unmöglicher Utopien" erstritten sich wie gewohnt daheim in der Anden-Höhe (über 2.800 Meter) Punkt um Punkt. 18 ihrer 26 Zähler holten die Ecuadorianer in Heimspielen und punkteten unter anderem zu Hause auch gegen Brasilien und Argentinien (jeweils1:1).

In der Vorrunden-Gruppe A treffen die Südamerikaner auf die Niederlande, Katar und Senegal. Das Achtelfinale ist Ecuador allemal zuzutrauen. Dafür muss die Mannschaft effizienter spielen als bei vergangenen WM-Turnieren. Wenn es Chefcoach Alfaro darüber hinaus gelingt, eine gute Mischung zu finden aus den jungen, hoffnungsvollen Talenten und den Routiniers wie Torhüter Alexander Dominguez, 35, Kapitän Valencia oder gar Augsburgs Mittelfeldmotor Carlos Gruezo, 27, könnte es bei der vierten WM-Teilnahme auch noch eine Runde weitergehen.

Der Kader

Tor: Hernán Galíndez (Aucas), Moisés Ramírez (Independiente del Valle), Alexander Domínguez (LDU Quito)

Abwehr: Félix Torres, (Santos Laguna, Piero Hincapié (Bayer Leverkusen), Robert Arboleda (São Paulo), William Pacho (Antwerpen), Pervis Estupiñán (Brighton & Hove Albion), Xavier Arreaga (Seattle Sounders FC), Ángelo Preciado (Genk), Diego Palacios (Los Angeles FC), Jackson Porozo (Troyes)

Mittelfeld: José Cifuentes (Los Angeles FC), Carlos Gruezo (FC Augsburg), Ángel Mena (León), Jeremy Sarmiento (Brighton & Hove Albion), Gonzalo Plata (Valladolid), Sebas Méndez (Los Angeles FC), Alan Franco (Talleres), Moisés Caicedo (Brighton & Hove Albion), Kevin Rodríguez (Imbabura)

Angriff: Ayrton Preciado (Santos Laguna), Romario Ibarra (Pachuca), Michael Estrada (Cruz Azul), Enner Valencia (Fenerbahçe), Djorkaeff Reasco (Newell's Old Boys)